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Artenpotrait: Der Zitronenfalter (Gonepteryx rhamni)

1. Allgemeines

Name : „gonos“ = Knie, „pteron“ = Flügel (Hinweis auf die gekniete Hauptader im Vorderflügel. In der älteren Literatur findet man die Fachbezeichnung „Gonopteryx“. „Rhamnus“ = Gattungsbezeichnung der Fraßpflanzen des Zitronenfalters. Der Zitronenfalter war Insekt des Jahres 2002.

 

2. Merkmale

Die erwachsenen Schmetterlinge haben eine Flügelspannweite von 50 – 55mm. Das Männchen ist intensiv zitronengelb. Das Weibchen ist mehr grünlich-weiß gefärbt und erinnert an die Farbe von Kohlweißlingen. Allerdings zeigen beide Geschlechter des Zitronenfalters deutlich stärker zugespitzte Vorder- und Hinterflügel. Ebenfalls kennzeichnend ist der zentralliegende orange Fleck auf den Flügeloberseiten, der auf der Unterseite bräunlich erscheint. Die Flügeladern treten stark hervor. Dabei fällt die gekniete Hauptader im Vorderflügel besonders auf.

 

3. Lebensweise

Imago (Erwachsenenstadium):

Zitronenfalter werden bis 12 Monate alt und haben damit die höchste Lebenserwartung aller mitteleuropäischen Schmetterlinge. Eine neue Generation schlüpft normalerweise in der Zeit von Mitte Juli bis Mitte August, bevorzugt an Tagen mit subtropischen Temperaturen. Die wärmeliebenden Falter sonnen sich gerne in besonderer Weise:.Sie neigen sich mit zusammengeklappten Flügeln so zur Sonne, dass eine Flügelseite optimal beschienen werden kann. Zum Nektarsaugen suchen sie besonders gerne blau oder violett blühende Pflanzen auf (z.B. Disteln, Luzerne, Hauhecheln, Blutweiderich, Enziane, Heilziest u.a. ). Weißblühende Pflanzen werden in der Regel gemieden, Kulturpflanzen nur selten besucht. Abends oder bei kühlem Wetter suchen die Tiere Gräser oder Blätter auf. Bevorzugt verbergen sie sich an der Unterseite der Blätter.

Im September fliegen die Falter an etwas geschütztere Stellen in Waldsäumen und krautreicheren Wäldern. Dort überwintern sie an Zweigen oder Grashalmen in bis zu 30cm Höhe. Sie sehen dann vergilbten Blättern täuschend ähnlich. Frostschutzmittel wie Glycerin und Sorbit in der Körperflüssigkeit verhindern, dass die Tiere erfrieren.

Im Frühling fliegen die ersten Männchen an sonnigen Tagen bei 15 – 20oC, meist im März, manchmal auch schon im Februar. Etwa 2-3 Wochen später folgen die Weibchen, denn sie überwintern an schattigeren Plätzen als die Männchen. Zu Frühlingsbeginn sind Nektarquellen von entscheidender Bedeutung für das Überleben der Tiere. Gerne aufgesucht werden die Blüten von Huflattich, Seidelbast, Veilchen, Taubnesseln, Lerchensporn, Lungenkraut und Weiden.

Männchen patroullieren im Frühling besonders gerne an sonnigen Waldrändern. Sieht ein Männchen ein Weibchen fliegen, verfolgt es dieses in bogenförmigem Flug. Wenn sich das Weibchen niederlässt, die Flügel spreizt und mit dem Hinterleib einen Duft absondert, nähert sich das Männchen, kriecht schließlich unter die Flügel und kopuliert mit dem Weibchen. Der Vorgang dauert oft einige Stunden. Danach sucht das Weibchen nach geeigneten Plätzen für die Eiablage. Ausgewählt werden meist junge Faulbaumsträucher (Frangula alnus, früher Rhamnus frangula) oder Kreuzdornsträucher (Rhamnus carthartica). Möglicherweise werden die ausgesuchten Sträucher duftmarkiert.

Eistadium:

Nach einigen Tagen werden die Eier meist einzeln, selten in kleinen Gruppen, an Knospen oder an der Unterseite junger Blätter im Unterholz der Wirtspflanzen abgelegt. Die Eier sind ca 1,3mm lang, spindelförmig und längsgerippt. Die anfänglich gelbgrünliche Färbung verändert sich während der Larvenentwicklung im Ei nach rötlich.

Raupenstadien:

Aus den Eiern schlüpfen ca. 1,7mm lange gelbliche Eiräupchen, die zunächst an der Blattunterseite leben und fressen. Raupen späterer Stadien sind mattgrün gefärbt mit einem weißen Seitenstreifen. Die älteren Larven halten sich auf der Mittelrippe der Blattoberseite auf und sind dadurch so gut getarnt, dass sie kaum entdeckt werden. Die jungen Blätter werden von außen nach innen abgefressen. Im letzten von insgesamt fünf Raupenstadien sind die Tiere bis 3,5cm lang.

Puppenstadium:

Die Verpuppung erfolgt ab Mitte Juni. Dabei hängt sich die Raupe mit ihrem Hinterende an die Unterseite eines kleinen Zweiges junger Sträucher. Im Mittelteil spinnt sie einen Haltefaden zu dem  Zweiglein. Dann häutet sich die Raupe ein letztes Mal und wird zur Puppe. Die zunächst grün gefärbte, später sich gelb färbende Gürtelpuppe von 22-24mm Länge sieht einem gekräuselten Blatt sehr ähnlich und wird deshalb kaum wahrgenommen. In der Puppenhülle entwickelt sich die Larve zum Falter. Beim Schlüpfen reißt die Puppenhülle der Länge nach auf, der Falter schlüpft und entfaltet dann die Flügel.

 

4. Lebensräume

Auf der Blütensuche fliegen die Falter weit umher. Sie suchen die verschiedensten Stellen auf, da sie ein breites Spektrum an Saugpflanzen nutzen. Oft weitab von ihrem Larvallebensraum suchen Männchen auch nach Weibchen und diese nach Eiablageplätzen. Zur Fortpflanzung geeignet sind Moore, Streuwiesen und Brachen mit Gehölzaufwuchs, verbuschende Magerrasen, Grünlandbrachen, kraut- und strauchreiche Wälder. Gern aufgesucht werden Gehölzränder, Waldmäntel, Waldlichtungen, Hecken und gehölzreiche Böschungen in den verschiedensten Lagen, von luftfeucht bis prallsonnig. Eine Bedingung müssen jedoch alle Stellen erfüllen: Sie müssen als Gehölze Faulbaum (Frangula alnus) oder Purgier-Kreuzdorn (Rhamnus cathartica) enthalten, denn nur an diese werden die Eier abgelegt und nur deren Blätter fressen die Larven.

 

5. Feinde

Alle Entwicklungsstadien des Zitronenfalters sind hervorragend getarnt. Trotzdem fallen Falter vielen Tieren zum Opfer. Spinnen lauern oft an den Blüten der Saugpflanzen. Ameisen und Wespen spüren Raupen auf und nutzen sie zur Ernährung ihres Nachwuchses. Vögel fressen nicht nur Falter, sondern auch Raupen und Puppen. Selbst Mäuse verschmähen im Winter die kältestarren Falter nicht. Erzwespen legen ihre Eier an Raupen ab, in denen sich dann ihr Nachwuchs entwickelt.

 

6. Bestandsituation und Schutz

Der Zitronenfalter ist in ganz Bayern weit verbreitet. Er stellt die dritthäufigste Tagfalterart dar. Häufiger kommen nur der Grünaderweißling (Pieris napi) und der Schornsteinfeger (Aphantopus hyperantus) vor.

Die Wirts- und Saugpflanzen sind allgemein verbreitet. Deshalb sind auch keine besonderen Schutzmaßnahmen nötig. Um eine Gefährdung auch weiterhin auszuschließen, sollten Faulbaumunterwuchs und gestufte artenreiche Waldränder, sowie extensives Grünland mit Bracheanteilen geschont werden.

 

7. Mythologie und Kunst

Im Altgriechischen weisen Schmetterlinge allgemein auf die Seelen der Toten hin. Sie symbolisierten im alten Ägypten die Wiedergeburt. In der Antike standen sie für die Unsterblichkeit der Seele. Im frühen Christentum symbolisierte die Raupe das (irdische) Leben, die Puppe den Tod und der Falter die Auferstehung (und das Ewige Leben). Elfen der nordischen Mythologie tragen meist Schmetterlingsflügel. Im Mittelalter wurden Schmetterlinge allerdings oft mit Hexen gleich gesetzt. Schmetterlinge galten als „Boten der Götter“ oder „Kinder der Sonne“. Sie symbolisieren auch heute noch Lebensfreude, Leichtigkeit des Seins und Schönheit, sowie Verwandlung und Neubeginn.

Der Zitronenfalter gilt seit langem als Frühlingsbote. Von Mörike stammt das Gedicht „Zitronenfalter im April“, vom Kinderbuchautor Josef Guggenmos das Gedicht „Der Zitronenfalter“. Hermann Löns sprach einem Zitronenfalter zentrale Bedeutung zu. Auch Autoren der neueren Zeit, wie z.B Kiwek und Daniell Porsche, nehmen in ihren Werken Bezug auf diesen Schmetterling.

Malte Pieter Holsteijn der Jüngere malte im 17. Jahrhundert „Zwei Zitronenfalter“. Von Rudolf Wacker stammt das Bild „Herbststrauß mit Zitronenfalter“. Besonders beeindruckend ist ein Bild im Postkartenformat der KZ-Insassen Karl Robert Bodek und Kurt Conrad Löw . Es zeigt einen leuchtenden Zitronenfalter auf dem Stacheldraht des französischen Lagers Gurs. Dieses Bild ist auf dem Plakat der Ausstellung „Kunst im Holocaust“ zu sehen, die 2016 in Berlin Bilder aus Yad Vashem zeigte. Auch in der zeitgenössischen Kunst sind Zitronenfalter ein beliebtes Motiv, das zu interessanten Deutungen Anlass gibt