Zitterpappel
Allgemeines:
Im Deutschen sind die Namen Zitterpappel, Espe und Aspe geläufig Die Bezeichnung reicht zurück bis zum Indogermanischen „apsa“. Im Germanischen wurde daraus „aspo“, im Althochdeutschen „aspa“ und im Mittelhochdeutschen „aspe“.
Gelegentlich werden die nordamerikanischen Populus grandidentata (Grobzähnige Zitterpappel) und Populus tremuloides (Amerikanische Zitterpappel) Espe genannt.
Nach dem Ende der letzten Eiszeit spielte die Espe zusammen mit der Birke und der Kiefer eine wesentliche Rolle bei der Wiederbewaldung. Man spricht in diesem Zusammenhang von der Birken- und Espenperiode.
Espe ist auch ein seltener Mädchenname mit der Bedeutung„Hoffnung“.
Morphologie
Der Baum erreicht eine Wuchshöhe von etwa 20 m, selten auch von 35 m. Die Espe ist die am schnellsten wachsende Baumart Mitteleuropas. Bereits mit 60 Jahren ist das Wachstum abgeschlossen. Die Zitterpappel wird bis ca. 100 Jahre alt.
Gewöhnlich wachsen die Stämme gerade. Junge Espen haben eine glatte, gelbbraune Rinde mit großen rautenförmigen Korkwarzen. Die Borke bei älteren Bäumen sieht hell- bis dunkelgrau und glatt aus, weist aber auffallende Längsrisse auf.
Die fast runden Laubblätter sind am Rande unregelmäßig und grob gezähnt. Der Blattstiel erreicht etwa die Länge der Blattspreite. Da er außerdem seitlich abgeplattet ist, versetzt bereits ein geringer Luftzug die Blätter in heftig „zitternde“ Bewegung.
Zur Austriebszeit sind die Blätter fast kupferfarben, im Herbst verfärben sie sich leuchtend goldgelb.
Fortpflanzung
Anders als viele andere Baumarten sind Espen zweihäusig, also entweder weiblich oder männlich.
Männliche Bäume tragen im zeitigen Frühjahr etwa 10 cm lange dicke, graubraune Kätzchen in oft großer Anzahl. Unter kleinen, zerschlitzten und behaarten Deckblättchen befinden sich jeweils 4 bis 12 Staubgefäße, die bei trockener Witterung den gelben Blütenstaub ausstreuen.
Die weiblichen Blütenstände bilden ca. 4 cm lange Kätzchen. Die Tragblätter sind rötlich gefärbt , zerschlitzt und dicht bewimpert. Die gestielten, kegeligen Fruchtknoten tragen jeweils zwei rote Narben.
Die Bestäubung erfolgt durch den Wind.
Anfang bis Mitte Mai reifen die Früchte. Wenn die Fruchtknotenkapseln aufplatzen, werden die zart behaarten Samen freigesetzt und durch den Wind verbreitet.
Oft werden viele der winzigen Samen gleichzeitig frei und bleiben sogar aneinander hängen. Die Verbreitung der Espensamen gleicht damit auch dem Bild fallender Schneeflocken.
Die Samen sind nur sehr kurzlebig, keimen unter geeigneten Bedingungen allerdings bereits nach kurzer Zeit.
Neben der sexuellen Fortpflanzung kommt auch die vegetative Vermehrung durch Wurzelaustriebe vor.
Ökologie
Die Espe stellt eine Lichtholzart dar, die nicht nur zur Keimung Licht benötigt, sondern auch während des Wachstums. Sie kann also nicht im Schatten von Altbäumen wachsen. Geeignete Standorte findet man deshalb auf offenen Böden, wie sie Kahlschlags-, Brachflächen, Steinhalden, Weg-und Waldränder oft bieten. Die Pionierbaumart stellt keine besonderen Ansprüche an die Bodenqualität. Am besten kommt sie mit lockeren, humusreichen, frischen bis feuchten, mineralstoffreichen Sand-, Lehm- und Lößböden zurecht. Durch Wurzelbrut kann die Espe offene Flächen recht rasch besiedeln.
In verschiedenen Pflanzengesellschaften findet man die Zitterpappel oft zusammen mit anderen Pionierarten wie Salweide, Birke, Eiche, Ginster und Schlehe
Da das Laub leicht verrottet, hat diese Baumart einen wesentlichen Anteil an der Versorgung des Bodens mit Humus und Mineralstoffen. Die Blätter stellen außerdem ein wertvolles Wildfutter dar und bilden eine wesentliche Grundlage für viele Insekten. Darunter befinden sich bekannte Falterarten wie Blaues und Rotes Ordensband, Großer Fuchs, Kleiner Schillerfalter, Pappelschwärmer, Großer Eisvogel und Hornissen- Glasflügler. Für die Insekten sind vor allem stark besonnte strauchförmige Espen und junge Bäume an Waldrändern wichtig, da die Larven dort meist das geeignete Mikroklima für ihr Wachstum finden.
Die Winterknospen scheiden den Pappelbalsam aus, den Honigbienen sammeln und als Kittharz (Propolis) zum Abdichten und Desinfizieren ihrer Beuten verwenden.
Nutzung
Die Knospen und Laubblätter sowie die Rinde enthalten Salicin, einen Abkömmling der Salicylsäure, Phenolglycoside, ätherische Öle, Gerbstoffe und Flavonoide. Verbindungen der Salicylsäure gelten als schmerzstillend, entzündungshemmend und fiebersenkend. Diskutiert wird die günstige Wirkung bei Prostatabeschwerden, Rheuma und Gicht. Äußerlich angewandte Aufgüsse sollen bei Hautproblemen helfen. Pappelsalbe soll zur Wundheilung beitragen und gegen Gelenkschmerzen hilfreich sein.
In der Bachblütentherapie werden Espen bei unbegründeten und übertriebenen Ängsten angewandt, um das Vertrauen ins Unbekannte zu stärken.
Junge Frühlingsblätter können roh oder gekocht gegessen werden. Die rohen Blätter kann man auch durch Milchsäuregärung konservieren. Sie schmecken dann ähnlich wie Sauerkraut. In Notzeiten hat man aus getrockneten Blättern Mehl gewonnen und damit Getreidemehl gestreckt. Man konnte das Espenmehl auch als Suppengewürz verwenden.
Espenholz ist leicht und weich, schwindet wenig, neigt nicht zum Reißen oder Verwerfen, ist leicht bearbeitbar und zeichnet sich durch eine glatte Oberfläche aus. Allerdings lassen Festigkeit und Dauerhaftigkeit zu wünschen übrig. Deshalb verwendet man das Holz vor allem im Innenausbau (z.B. für Sperrholzplatten, Dielenböden, Saunaeinrichtungen) oder für die Herstellung von Gegenständen, die nur geringe Festigkeit benötigen (z.B. Zahnstocher, Streichhölzer, Spankörbe, Geschenkverpackungen, Obst- und Gemüsesteigen). Wegen der geringen Dichte nutzt man Espenholz z.B. für Prothesen, Tischtennisschläger, Holzschuhe, Backmulden, Zeichenbretter, Paletten oder als Füllholz in Containern. Das schnellwachsende Holz eignet sich auch als nachwachsender Rohstoff gut zur Energiegewinnung. Zur Papierherstellung wird es ebenfalls verwendet.
In den Zeiten des raschen Klimawandels nimmt die Bedeutung der Zitterpappel stark zu. Sie gehört zu den „klimaresistenten“ Baumarten, die sich nicht nur für den Forst, sondern auch ganz besonders für das Stadtklima eignen.
Ihre starke Austriebsfähigkeit hat man in früheren Zeiten im Nieder- und Mittelwaldbetrieb genutzt. Die bei dieser Form der Holznutzung entstehenden Kahlschlagsflächen wurden einerseits durch Wurzelbrut, andererseits durch das Austreiben stiller Knospen der Baumstümpfe rasch wieder begrünt. Auf diese Weise könnte man heute auch für die rasche Begrünung nach starken Sturmschäden sorgen, ohne kostspielige und oft wenig erfolgreiche Anpflanzungen vorzunehmen.
Mythologie
Im griechischen Altertum wurde die Espe der Göttin Persephone zugesprochen. Sie galt als Göttin der Regeneration.
Hades, der Gott der Unterwelt, pflanzte eine Espe zur Ehre seiner Geliebten, der Nymphe Leuce.
Die griechische Königin der Hexen, Hekate, verfügte über vielerlei magische Kräfte und pflegte eine besondere Beziehung zur Espe. Orpheus entzündete einen Scheiterhaufen aus Pappelholz, um von Hekate die Kunst der Zauberei zu lernen. Durch Zauberei wollte er seine tote Geliebte Eurydike aus der Unterwelt ins Leben zurückholen.
Die Kelten fertigten Schilde aus Espenholz an, um sich im Kampf vor physischen und psychischen Schäden zu schützen.
Im Ogham, dem Baumalphabet der Druiden, steht die Zitterpappel für den Zusammenhalt, die Kraft der Gemeinschaft und die gegenseitige Hilfe.
Bei den Germanen war die Espe der Baum der zauberkundigen Göttin Freya. Die duftenden Knospen und das bernsteinfarbene, klare Harz förderten die Hellsicht. Deshalb verwendete man auch Espenholz zum Runenwerfen.
Im mittelalterlichen Christentum glaubte man, dass das Kreuz Christi aus Espenholz angefertigt wurde. Man bezeichnete die Espe deshalb auch als Judasbaum und gab ihm eine Mitschuld am Tod von Jesus.
Eine anderen Legende zufolge begegneten dem auferstandenen Christus viele Baumarten. Alle verbeugten sich vor ihm, bis auf die Espe. Zur Strafe zittert das Espenlaub bei der geringsten Windbewegung.
Die Espe galt als Hexenbaum. Die lichten Kronen standen für das Luftelement, die leichte Bewegung der Blätter für das Tanzen. Deshalb verwendete man auch die Knospen in vielen Hexensalben, wie den Flugsalben. Durch sie sollten Loslassen, Leichtigkeit, geistige Beweglichkeit und Inspiration erreicht werden. Tatsächlich fand man bei Untersuchungen eine schwach psychoaktive Wirkung des Pappelbalsams der Espe.
Quellen:
Oberdorfer, E. : Pflanzensoziologische Exkursionsflora, S. 290, Stuttgart 1979
Sebald, Seybold, Philippi: Die Farn- und Blütenpflanzen Baden Württembergs Bd. 2, S. 121 – 123, Stuttgart 1990
https://de.wikipedia.org/wiki/Espe
https://www.kraeuter-verzeichnis.de/kraeuter/espe
https://pflanzen-vielfalt.net/baeume-straeucher-a-z
https://wurzelweibblog.wordpress.com/2016/10/05/hexenbaum-pappel